
Liebe Wanderfreunde,
sooo viel haben wir in den letzten Wochen erlebt, soo viele Kilometer sind wir gewandert und so dauert es eben manchmal länger, bis wieder ein Wanderbericht entsteht. Infolge einer wohnungsverändernden Entscheidung, wird es Zeit für einen Neuanfang. Kein Wunder, dass sich infolge dieser Situation Prioritäten verändern, bevor es am Ende unter der Sachsenbrücke in Pirna voll wird 😄. Wenn dann jedoch Wanderer aufeinandertreffen, die man in den letzten Jahren eher selten zu Gesicht bekam, ist die Freude natürlich etwas größer und deshalb wird diese Wanderung durch das abenteuerliche Polenztal zu digitalem Papier gebracht …
Im beschaulichen Hohnstein – hier wo die Zukunft des Nationalparks hinterfragt wird – sollten wir mit unserer Wanderung starten, bereits eine halbe Stunde vor Start erhielt ich eine Nachricht von Uwe, dass er bereits am Startpunkt sei … hui das ist früh, befanden Rainer und ich uns zu der Zeit noch auf dem zweiten Teilstück des „Deutschland-Rings“ : Der Abfahrt ins Polenztal. „Die lebende Legende“ oder „Hitler Rennstrecke“ wird dieser genau 10 Kilometer lange Rundkurs gern im Volksmund genannt. Offizielle Rennen finden heute keine mehr statt – wenn man von den wenigen Motorradfahrern einmal absieht, welche hier unter der Woche ihr Können unter Beweis stellen und ( leider viel zu oft ) überschätzen. Kurz darauf trafen wir dann ebenfalls am Parkplatz „Eiche“ in Hohnstein ein. Nach kurzer Begrüßung gesellte sich auch Wolfgang hinzu – ihn lernten wir erstmalig 2018 auf einer Wanderung über den Panoramaweg kennen, seither war er nur selten unser Gast. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft ein wenig ändert, schließlich ist Arbeit nicht alles im Leben 😉.
Vom Parkplatz ging es zunächst einmal bergab: Das prächtige Rathaus von Hohnstein – erbaut 1688 – passierten wir recht zügig, bevor es über die Stufen hinauf zur Oberen Straße gelangten. Unser Ziel sollte das Hotel und Restaurant „Zur Aussicht“ sein. Stolz über Hohnstein trohnt die gleichnamige Burg – einst herrschaftlicher Besitz der Berken von der Dubá – und vollendet das historische Stadtbild. Kein Wunder also, dass man im Rathaus darauf bedacht ist, Hohnstein als Denkmalschutzgebiet einzustufen …
Irgendwann erreichten wir dann aber doch den Wald – es wurde an der Zeit, die Klamotten im Rucksack zu verstauen. Endlich wieder frei sein und endlich wieder Sonne und Wind auf der Haut spüren. Der erste Teil der Wanderung stellte uns vor keine nennenswerten Probleme, auch wenn ich immer wieder fasziniert vom Unterschied zur ersten Begehung im März war … und schon verpassten wir den Abzweig in den Kälbersteig. Wir kehrten wieder um und stellten fest, dass die Vegetation gerade kleinere Wege schnell verschwinden lässt. Mit etwas Glück fand sich der Abzweig, und so ging es weiter, bis wir das Bärenhohl erreichten. Bären finden sich hier freilich keine, dafür aber ein kleines Flüsschen, sowie Hinweise auf bergbauliche Aktivitäten: Schon im Jahre 1593 grub man hier nach Kupfererz, welches in einer kleinen Hütte aufgearbeitet wurde. Und wer genau drauf achtet, der findet so manches kleines Bächlein, dass hier seinen Weg in Richtung Polenz nimmt. So auch das Goldflüsschen, ein kleiner Bach, der an der Heeselichtmühle von der Zechniker Polenztalseite in die Polenz mündet. Die Chronik weiß darüber zu berichten, dass hier im 16 Jahrhundert „Goldwäsche“ stattgefunden habe.
Wir nähern uns einem Stück deutscher Geschichte: Rennsportgeschichte. Ja, ihr habt richtig gelesen, denn Benzingeruch, schnittige Rennwagen, schnelle Motorräder und Zehntausende Zuschauer, das sollte es hier alles am Rande des heutigen Nationalparks geben – wenn es nach den Plänen der Nationalsozialisten gegangen wäre. Das einstige Prestigeobjekt – im Volksmund auch „Hitler Rennstrecke“ genannt – zählt zu den vergessenen Rennstrecken. In der einschlägigen Literatur findet man nur sehr wenig über den „Deutschlandring“ bzw. auch „Großdeutschlandring“. Es folgt ein kurzer Zeitsprung in das Jahr 1933: Sechs Jahre zuvor wurde der Nürburgring in der Eifel eröffnet und galt damals bereits als anspruchsvollste Rennstrecke der Welt – Jackie Stewart nannte die Nordschleife später „Die grüne Hölle“ und berühmte Rennfahrer, wie Niki Lauda verunfallten hier oder fanden gar den Tod. Jedoch ist die Eifel weit entfernt von der Reichshauptstadt Berlin – eine Rennstrecke im Umfeld des Regierungssitzes, in besserer Reichweite der nationalsozialistischen Propaganda musste her …
Seit 1926 wurde auf der Wartenbergstraße in Hohnstein bereits ein Bergrennen durchgeführt. Die neue Rennstrecke sollte auf dem Verlauf der Serpentinen ins Polenztal basieren und mit exakt 10 Kilometern deutlich kürzer als der Nürburgring mit 28 Kilometern sein – diesen aber ansonsten in allen Bereichen übertreffen. Im Jahre 1933 beginnen schließlich die Bauarbeiten, anders als in der strukturschwachen Eifel, wurde das Projekt nicht als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die lokale Bevölkerung angelegt, sondern das dafür zuständige Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps zwang Häftlinge aus dem nahegelegenen Konzentrationslager auf der Burg Hohnstein an die Baumaschinen. Im April 1939 wird der ostdeutsche Ring hastig eingeweiht, denn das Deutsche Reich stürzt fünf Monate später die Menschheit mit dem Zweiten Weltkrieg ins Chaos.
Eine Fahrt über den fertigen Deutschland-Ring läßt nur ahnen, welche unerhörten Erdbewegungen durchgeführt werden mußten, bis dieser ideale Rennkurs in dem bergigen Gelände entstand. Allein im Polenztal mußte an der Heeselicht-Mühle ein gewaltiges Felsriff entfernt werden. Preßluft-Bohrer und Sprengstoff haben Monate lang dieses gewaltige Felsriff bearbeitet. Über 30.000 Kubikmeter Packlager, und über 15.000 Kubikmeter Granitschotter wurden an dieser Stelle gebrochen. Dieser harte Lausitzer Garanit wurde für den gesamten Unterbau der Rennstrecke verwendet. Jetzt ist das Felsriff verschwunden. An seiner Stelle ragt eine gewaltige Felswand zur Berghöhe. Eine weit geschwungene Kurve führt an ihr entlang.
Den gekürzten Originaltext, dessen Verfasser leider unbekannt ist und auf einer verbreiteten Webversion des Textes basiert, in dem sprachliche Besonderheiten, sowie Rechtschreibung / Grammatik unberührt blieben, bieten wir euch als PDF zum Download an: „Der Deutschland-Ring im Elbgebirge“.
Weitere Pläne zum Ausbau der Strecke scheiterten, denn die 532 Meter Höhenunterschied, ihre durchschnittlich zwölf Meter breite Betonpiste ( in Kurven gar bis zu 20 Meter ) und die zwei Kilometer lange und bis zu 24 Meter breite Start-Ziel-Gerade bei Hohburkersdorf war zwar fertig, doch die geplanten Tribünen für bis zu eine Million Besucher sowie die riesigen Parkplätze für 350.000 Autos und Motorräder sind ebenso wenig vollendet, wie die Autobahn nach Berlin. Dies sollte sich bis zum ersten internationalen Rennen, dem für Oktober 1940 angesetzten „Großen Preis von Großdeutschland“ ändern. Doch statt sich im Rennsport mit anderen Ländern zu messen, zerplatzen die Träume von Grand-Prix-Rennen in Sachsen im Kugelhagel. Nach dem Krieg findet sich die Strecke auf dem Gebiet der DDR – Platz für zwei Rennstrecken ( neben dem Sachsenring ) gibt es nicht und so ist der „Große Preis von Hohnstein 1951“ ein letzter Comeback-Versuch, zwei tödliche Unfälle verhindern eine weitere Zukunft als Rennstrecke. Der Deutschlandring gerät in Vergessenheit.
Kommen wir zurück zur Wanderung: An der Heeselichtmühle gerieten wir zunächst mit zwei Wanderern ins Gespräch und wurden über den weiteren Zustand des Wegs informiert. „Richtung Bockmühle ist eine Brücke gesperrt und der Weg nicht durchführend“, erfuhren wir. Ob wir deshalb umplanen müssten ? Ein kurzer Blick auf die Karte verriet, dass das nicht nötig sein wird, denn lediglich kurz nach der Heeselichtmühle musste eine Brücke überquert werden, doch diese war nicht gesperrt. Es konnte sich also nur um jene Brücke vor der Bockmühle handeln und sie war nicht auf unserer Route verzeichnet. Und auch an der Heeselichtmühle kamen wir mit den Bewohnern kurz ins Gespräch und man entgegnete, dass erst gestern über uns gesprochen wurde. Natürlich nur in guten Tönen 😁.
Badestellen finden sich an der Polenz so einige, so auch wenige Meter von der Mühle entfernt, die bereits im 16. Jahrhundert erstmalig Erwähnung fand. Ins kühle Nass wollte trotz der sommerlichen Temperaturen keiner hüpfen, dabei war das Wasser sogar extra angestaut. Vorbei ging es an den Märzenbecherwiesen – verständlich, dass Ende Juni keine Frühblüher mehr zu sehen sind, wobei es auch schwierig für sie wäre, denn Brennnesseln und allerlei andere Pflanzen überwucherten jene Wiese, die im Frühjahr noch von so vielen Wanderern auf analogem und digitalem Film festgehalten wurde. Irgendwann wurde es Zeit, eine Mittagspause einzulegen – keine leichte Aufgabe, denn Bänke finden sich am Polenztalweg recht wenige und auch umgestürzte bzw. gefällte Bäume fanden sich keine – wenn man sie mal braucht. Doch es gab eine kleine Stelle, an der die Polenz etwas vom Weg in eine Linkskurve fließt, wo jene Bäume lagen und uns nicht nur eine Pausenstelle willkommen hieß, sondern auch zugehöriges Gruppenfoto entstand …
Abenteuerlich sollte es nach unserer Mittagspause werden und so kamen uns bereits einige Radfahrer entgegen: Sie starteten an der Buschmühle im Kirnitzschtal und wollten etwas abseits der Radwege die Sächsische Schweiz erkunden. Dass das keine gute Idee war, stellten wir wenige Meter nach unserer Pausenstelle fest, denn eine abgestorbene Fichte fand es an der Zeit, ihren angestammten Platz zu verlassen und ein wenig Wasser zu sich zu nehmen – der an ihr vorbeilaufende Weg musste eben den nötigen Platz machen und so fand sich eine sehr schöne Abbruchkante wieder. Hier mit dem Rad durch ? Na gute Nacht oder Prost Mahlzeit, Jungs. Selbst unser Weg, verlief schon an so mancher Kante und über schmale Brücke entlang. Mit dem Rad würden die drei Jungs sicher nicht froh.
Über einen schmalen Pfad – ebenfalls Teil des Märzenbecherweges – verließen wir gut 1,3 Kilometer von unserer Pausenstelle entfernt, das Tal der Polenz. Wer denkt, dieser kleine Pfad wird nur einmal im Jahr begangen, der liegt genau richtig und so mussten wir uns mit Brombeeren und allerlei anderen Sträuchern herumschlagen. Nichts Dramatisches, half doch das Stativ ein wenig die großen Ranken fernzuhalten. Eine kleine Laube, mitten an der Grenze zum Naturschutzgebiet markierte das Ende des Waldes – heute sicherlich unvorstellbar, dass so etwas genehmigt wird, zu DDR-Zeiten wurde einfach gebaut, wenn das Material vorhanden war. Entlang der Felder oberhalb von Cunnersdorf fanden wir eine kleine Bank, sowie einen leidenschaftlichen Gärtner, der auf einem Teil der Felder sein Gemüse zog: Kohlrabi, Lollo bianco oder Lollo rosso, sowie weitere Pflanzen warteten nur darauf in wenigen Wochen geerntet zu werden. Jene kleine Bank wurde dann auch für eine weitere Pause unter einer herrlichen Birke genutzt, um unseren Freunden die Geschichte des Deutschland-Rings näher zu bringen, gab es doch einen sehr gut verfassten Pressebericht aus dem Jahre 1939 …
Nach einer reichlichen halben Stunde brachen wir wieder auf und wurden alsbald von zwei Bauern gegrüßt, die den Sonntagnachmittag nutzten, um das Heu zu wenden. Und wer schaut denn da über die Grashalme ? Ein Weißstorch. Außer mir hatten alle Mitwanderer das Glück, Störche in den letzten Monaten oder Jahren zu Gesicht zu bekommen, doch in der urbanen Region rund um Pirna ? Da sieht die Realität schon ein wenig anders aus und so war ich mehr als froh, nach so vielen Jahren endlich mal wieder einen Klapperstorch, wie der Weißstorch auch genannt wird, wiederzusehen …
Cunnersdorf gibt es in unserer Region mehr als ein Dutzend Mal, egal ob als Stadtteil von Pirna oder als eigenständige Ortschaften, sowie eingemeindete Dörfer von Hohnstein und Pfaffendorf. Eins haben sie gemein: Niemals auf einer Karte nach Cunnersdorf suchen, denn es ist garantiert der falsche Start für eine Wanderung – so vor vielen Jahren erlebt. Jenes Cunnersdorf, am Rande des Polenztals kannten wir daher recht gut, nur der Landweg war uns neu. Unser Weg führte uns so an den letzten Ausläufern des Ortes vorbei, bis wir auf einen weiteren Feldweg nördlich des Liebens Berges abbogen. Schon vor unserer letzten Pause kam Rainer der Gedanke, den Refrain aus „Die süßesten Früchte“ von Peter Alexander zu zitieren:
Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere.
Nur weil die Bäume hoch sind und diese Tiere groß sind.
Die süßesten Früchte schmecken dir und mir genauso.
Doch weil wir beide klein sind, erreichen wir sie nie.
Zu seinem Erstaunen kannte ich den sympathischen Österreicher, der 2011 verstorben ist. Und genau, weil wir so groß sind, gelangten wir auch an die süßesten Früchte: Kirschbäume fanden sich hier über die Weiten des Feldweges verstreut. Einfach vorbeigehen war da nicht drin und es half, dass manche Menschen größer sind als andere ( sorry, Uwe 😄 ), so dass ich problemlos die Äste runterziehen konnte. Frau Enterich und ihr Jüngstes hätten sicherlich gestaunt. Tja, meine Lieben, es ward an der zeit dann doch wieder den nächsten Grund aufzusuchen. Es ging in den Liebens Grund, diesmal ohne große Suche, aber mit leichtem Staunen, wie dicht das Blätterdach des Buchenwaldes war. Uwe fragte, ob wir eine Taschenlampe benötigten, doch so schlimm war es dann auch wieder nicht. Es folgte der letzte Anstieg des Tages und der sollte es nochmal in sich haben, ging es doch in gut 350 Metern reichlich 60 Höhenmeter hinauf – immerhin eine Steigung von 17,1%. Die letzte Strapaze des Tages wurde belohnt mit einer Umrundung des Galgenberges – nördlich von Hohnstein gelegen. Er war die Hinrichtungsstätte der Gerichte des Doppelamtes Hohnstein und Lohmen: Die letzte Hinrichtung mit dem Richtschwert auf dem Galgenberg fand im Jahre 1795 statt.
Eine letzte Pause wollen wir uns noch genehmigen, bevor die Klamotten wieder aus dem Rucksack hervorgeholt werden. An den letzten Ausläufern von Hohnstein wurden wir von einem neugierigen Fohlen beäugt, sicherlich war das Kleine keine zwei Wochen alt. Für die letzten Meter unserer Wanderung folgten wir der Oberen Straße und blickten so noch einmal auf das malerische Hohnstein, bevor wir am frühen Abend den Parkplatz erreichten. So ganz vorbei war dann das Staunen aber doch noch nicht: Ich kam mit einer Familie aus Dänemark ins Gespräch und erhitl so einmal die Chance, in ein Tesla Model 3 zu schauen und war in der Tat beeindruckt, wie aufgeräumt ein Armaturenbrett sein kann 😎.
Ich hoffe, dass euch dieser Wanderbericht gefallen hat,
euer Martin