Liebe Wanderfreunde,
selten kommt es vor, dass wir von einer Wanderung im Nachhinein noch so sehr schwärmen, wie von jener, die am heutigen 21. April stattfand. Nicht nur des eigenen Geburtstags wegen, sondern aufgrund des Wanderziels: Ausgangspunkt war die Blockbauhütte Wolfsberg, gemietet für drei Nächte, konnten wir so ein neues Wandergebiet erschließen: Die Böhmische Schweiz. Und es erwartete uns Großartiges, aber auch Anstrengendes.
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Start unserer Wanderung war der beschauliche Ort Jetřichovice – oder auf Deutsch: Dittersbach. Umgeben von einer geheimnisvollen Sandsteinlandschaft, erblickten wir am Parkplatz bereits das erste Objekt der Begierde: Ein in leicht rosa getauchtes Gebäude am Ortsausgang, erinnert an ein Sanatorium oder einen herrschaftlichen Besitz. In den 20er Jahren, des vorigen Jahrhunderts entstand hier ein Kinderheim, welches vor allem Kindern aus den Industriegebieten dienen sollte, mal Ferien in guter Luft zu verbringen.
Das war dem neuen Staat Tschechoslowakei, der ja genau vor 100 Jahren gegründet wurde, wichtig, etwas für diese Arbeiterkinder zu tun. Das galt gerade auch für die mehrheitlich deutsch besiedelten Gebiete wie hier in den Sudeten.
Die Sozialpolitik der neugegründeten Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit galt als fortschrittlich. Nachdem die Nationalsozialisten in Folge der Sudetenkrise im Jahre 1938 die Abspaltung der Sudetengebiete erzwang, wurde das Kinderheim als Lazarett genutzt. Erst im Jahre 1945 diente es wieder seinem ursprünglichen Zweck – bis ins Jahr 2005. Dann war auf einmal Schluss. Die Bezirksverwaltung mit Sitz in Ústí nad Labem fand den Betrieb zu teuer und verkaufte das Objekt an einen privaten Investor, der kein Unbekannter ist: Alexej Krenke. Dem in Tschechien lebenden Russen gehört die „halbe Böhmische Schweiz“, wie immer wieder zu hören ist. Das bekannteste Objekt ist das Prebischtor und das Restaurant „Sokoli hnizdo“ – das Falkennest. Es ist unverständlich, warum eine so schöne Aussicht in privater Hand ist. Anderswo zahlt man für die Seilbahn, um auf einen Gipfel zu kommen. Am bekanntesten Felsentor Europas wird fürs zu Fuß Ankommen abkassiert. Krenke wollte das alte Kinderheim in ein Luxushotel verwandeln – heute ist davon nichts mehr zu spüren.
Inzwischen verfällt das Kinderheim, sowie die angrenzenden Gebäude mehr und mehr und die Natur erobert sich zurück, was ihr einst entnommen wurde. Vom viel zitierten Wachdienst stellten wir während unseres Rundgangs auf dem Gelände nichts fest und so nahmen wir uns die Zeit, einige Fotos zu machen und uns den Komplex von außen näher anzusehen …
Doch wir wollten weiter und nachdem die letzten Fotos auf digitalen Film festgehalten wurden, entschieden wir uns durch den Hinterausgang in Richtung der Felsenburg Falkenstein aufzubrechen. Hierfür bedurfte es einiger Stufen, die zunächst bezwungen werden wollten – für Conny zunächst eine kleine Herausforderung. Kein Wunder, nachdem sie sich vor wenigen Wochen nochmal bei der Grippewelle infizierte. So war erstmal jeder froh, als die letzten Stufen in Sichtweite kamen – außer natürlich unser lieber Andreas, dem mal wieder die Anstiege fehlten. Ob er den Mund zu voll nahm ? Die Hälfte des Anstiegs war erst gemeistert, denn eine Felsenburg befindet sich zumeist oben auf dem Gipfel und so waren nochmal etliche Stufen nötig, bevor wir die Aussicht genießen konnten. Rainer indes entschied sich auf unsere Rucksäcke aufzupassen, bevor sein Puls wieder astronomische Höhen erreicht – ihm blieben so manch schöne Aussichten verwehrt, drum wollen wir sie ihm und auch euch nicht weiter vorenthalten …
Übrigens: Auch mitten in der Böhmischen Schweiz treffen wir auf alte Bekannte, so entstand die Felsenburg Falkenstein im 14. Jahrhundert als Verwaltungssitz der adligen Familie Michelsberg. Im Jahr 1405 ging der Besitz auf die Berken von der Dubá über und während der Hussitenkriege in den 20er Jahren des 15. Jahrhunderts unternahmen sie von hier aus Raubangriffe in die Lausitz. Im Jahre 1428 gelangte die Burg schließlich in den Besitz der Herren von Wartenberg und nach dem Ende der Hussitenkriege begann die Burg zu verwildern – letztmals erwähnt wurde sie 1457. Ende des 15. Jahrhunderts galt sie bereits als aufgegeben, Keramikfunde und Jahreszahlen weisen aber darauf hin, dass die Burg auch später noch ab und zu besucht oder besiedelt war. Ein größeres Interesse an den Burgresten entwickelte sich zur Zeit der Romantik im 19. Jahrhundert, als der Falkenstein im Besitz der Fürstenfamilie Kinsky von Wchinitz und Tettau war: Zu dieser Zeit wurde sie wieder zugänglich gemacht und entwickelte sich zu einem beliebten Wanderziel. Seit dem Jahr 1958 steht die Burg als Kulturdenkmal unter Schutz …
„Stets über dem Falkenstein kreisen die Raben“, so ließe sich der Nachbargipfel Rabenstein bezeichnen, denn dieser liegt nicht nur auf einer Anhöhe, sondern überragt die Felsenburg auch um gute 80 Höhenmeter – Wege auf den Rabenstein fanden sich leider keine, dennoch brannte unterhalb des Gipfels 2006 der Wald. Heute entsteht hier ein „neuer Urwald“.
Wir verlassen den Falkenstein und … ohh wo ist denn Conny abgeblieben ? Während jeder so sein Plätzchen fand, entschied sich mein Engel, den Falkenstein zu umrunden. Hier ging es erneut über vereinzelte Brücken, wer weiß, was sich hier im ausgehenden Mittelalter alles unter den betrunkenen Raubrittern abspielte ? Am Ende fanden wir uns wieder und konnten aufbrechen, dabei folgten wir einer „Schnapsidee“ unseres lieben Wanderfreunds aus Thüringen – jener Vorschlag stellte sich als netter kleiner Alternativpfad für den Auf- oder eben Abstieg heraus.
Vorbei ging es erneut am ehemaligen Kinderheim zurück in Richtung Parkplatz. Sollte die Wanderung schon vorbei sein ? Mitnichten ! Wir wollten einige Klamotten im Auto lassen, denn die Sonne bahnte sich ihren Weg durch die Wolken und versprach bestes Wanderwetter. Unser nächstes Ziel sollte der Marienfels sein – im 19. Jahrhundert nach Fürstin Marie Kinsky ( 1835 – 1905 ) benannt. Zuvor wurde die Erhebung „Spitzstein“ oder „Grosser Spitziger“ genannt. Heute, wie damals zählt der Marienfels zu den schönsten Aussichten der Böhmischen Schweiz – nicht nur wegen seiner 360-Grad-Sicht, sondern auch wegen seines Aufstiegs. Zu verdanken haben wir den touristischen Ausbau der Sandsteinfelsenwelt rund um Dittersbach dem Adelsgeschlecht Kinsky im 19. Jahrhundert. Doch bis zum Gipfel war es ein weiter und vor allem stufenreicher Weg: Gute 160 Höhenmeter wollten auf nicht mal 840 Metern überwunden werden, dies entspricht einer Steigung von gut 19%. Keine leichte Aufgabe für alle Beteiligten und auch Andreas schien so seine Probleme zu haben – vielleicht noch nicht beim Aufstieg bis zum Fuße des Marienfels, doch einmal mehr galt es für ihn, seine Höhenangst zu überwinden, als es hinauf zum Altan 80 Meter über seinem Kopf ging. Was man nicht so alles für einen Geocache tut … der am Ende dann doch verschwunden ist. Die Aussicht entschädigte jedenfalls für alle Strapazen und noch heute schwärmen wir von diesem Ausblick auf die Böhmische Schweiz, den markanten Rosenberg, im Hintergrund den Hohen Schneeberg, sowie den Großen und Kleinen Zschirnstein im Heimatgebirge …
1856 wurde unter Ferdinand Bonaventura Fürst Kinsky auf dem Gipfel des Marienfels eine hölzerne Unterstandshütte in Form eines Altans errichtet, die unter anderem als Brandwache diente. Die Hütte wurde in der Nacht zum 9. September 2005 durch einen Waldbrand stark beschädigt. Ein weiterer Waldbrand in direkter Umgebung ereignete sich am 22. Juli 2006. Die Hütte – erst drei Wochen zuvor erneuert – blieb dabei verschont. Zwölf Jahre später, im Jahr 2018, musste der Zugang zur Unterstandshütte erneut gesperrt werden, da eine Reparatur nicht möglich war, erfolgte der Abbruch und die Installation eines neuen Altan als Metall-Holzkonstruktion. Die neue Konstruktion wurde Ende Februar 2021 mit mehreren Hubschrauberflügen auf den Fels gebracht und installiert.
Schweren … sehr schweren Herzens wird es Zeit aufzubrechen, doch wir verbleiben auf den Spuren der Kinskys, denn oberhalb von Balzers Lager findet sich eine weitere Aussicht. Doch dazu musste unsere Gruppe erstmal etwas besänftigt werden: Ein Anstieg wie dieser reicht. Ohne große Kenntnis des Weges, versuchte ich die Gruppe zu beruhigen und so brachen wir in Richtung jenes Lagers auf, was ich vom Namen her zunächst für einen Unterschlupf von Banditen hielt. Auch bei Ankunft sprachen alle Anzeichen dafür: Eine große Höhle, versteckt mitten im Wald und nur ein schmaler Pfad führt zu ihr. Doch die Geschichte zu dieser Höhle, die im Tschechischen übrigens „Balzerův tábor“ heißt, liest sich ganz anders: Felsinschriften aus dem Jahr 1632 erinnern uns an die Kriegszeit, wo der mächtige Überhang bereits Zufluchtsstätte für die Dittersbacher Bevölkerung vor den plündernden Schweden darstellte. Der Überhang wurde später vor allem im Frühjahr von Waldpersonal aufgesucht, dass vor dem Beginn der Jagdsaison für die Herrschaft die Balzplätze suchte und die balzenden Auerhühner zählte …
Im Jahre 1856 ließ der Rennersdorfer Forstmeister Ferdinand Bund eine Gedenktafel in den Stein hauen, welche heute stark verwittert ist. Glücklicherweise fanden wir den Text:
Wer ist Meister ? Der was ersann.
Wer ist Gesell ? Der was kann.
Wer ist Lehrbursch ? Jedermann.
Unser Weg verlief oberhalb von Balzers Lager weiter in Richtung des nächsten Aussichtspunkts. Eine kleine Pause legten wir im Verlauf des Weges dann doch noch ein, denn auch wenn die Wanderung auf dem Papier nicht sonderlich anstrengend schien, waren es die vielen Aufstiege und die Tatsache, dass wir uns am Beginn des Wanderjahres befanden, weshalb die Kräfte noch etwas knapp bemessen waren. An der Schwarzen Wand wurde es dann Zeit für eine etwas ausgedehntere Pause …
Moment ! Schwarze Wand ? So hieß diese Aussicht bis ins 19. Jahrhundert, bevor sie nach der Fürstin Wilhelmine Kinsky ( 1804 – 1871 ) benannt wurde. Ich sah Petra ein wenig die Anstrengung an und so entschied ich, dass wir hier eine gute halbe Stunde pausieren würden – Andreas war ohnehin auf der Suche nach einem Geocache und ich konnte mir in aller Ruhe die umliegenden Gipfel anschauen. Die Aussicht war nicht minder spektakulär als auf dem Marienfels, so dass hier einige Fotos entstanden – natürlich wollte ich es mir nicht nehmen lassen, dieses neue Wandergebiet auch in üblicher Wanderbekleidung zu erschließen.
Die Zeit zog ins Land und es waren noch einige Kilometer zu bewältigen. Der Weg bis zur Aussicht erinnerte ein wenig an die Obere Affensteinpromenade in der Sächsischen Schweiz, denn es ging entlang vom Stein, auf der anderen Seite des Pfads war der Abgrund nicht weit entfernt – auch wenn es etwas weniger abenteuerlich als im Heimatgebirge war, so vermittelte der Weg einen gewissen Charme. Etwas zu Lachen hatten wir hier auch noch: So fand sich nach gut 200 Metern eine kleine Kraxelpassage wieder, zur Hilfestellung montierte man hier ein Eisen im Stein – dumm nur, dass dies viel zu weit entfernt war, als dass man es sinnvoll verwenden könne. Nichtsdestotrotz fanden wir einen Weg hinunter … und kurz darauf auch wieder hinauf. Die Geologie des Elbsandsteingebirges ist einmalig auf der Welt.
Im Budersdorfer Wald trafen wir erneut auf Geschichte: Zum Einen fanden wir uns inmitten eines „krautreichen Buchenwalds“ wieder, Ursprung hierfür ist schlicht die Lausitzer Verwerfung, an welcher sich der mineralstoffreiche Basalt über den nährstoffarmen Sandstein schiebt, zum Anderen findet sich hier ein Kohlenmeiler, der einst genutzt wurde, um Holzkohle zu produzieren. Da Braun- und Steinkohle im Mittelalter nur schwer abbaubar waren, wurde für das Schmieden von Rüstungen und Waffen häufig Holzkohle verwendet.
Der Stand der Köhler war im Mittelalter so hoch angesehen, dass diese sich von ihrem Herrn nicht das Gesicht waschen mussten, bevor sie ihm unter die Augen traten.
Geschmiedete Rüstungen finden sich heute nur noch auf Mittelaltermärkten und mit dem Schwert kämpfen wir auch nicht, weshalb wir nach einer kurzen Pause weiterzogen. Der letzte Gipfel des Tages rief: Der Rudolfstein.
Doch als wir nach knapp 400 Metern am Rudolfstein ankamen, wurde das Gesicht lang: Die Aussicht war gesperrt. Eine Hinweistafel fehlte leider völlig, so dass wir darauf hoffen, dass die Aussicht bald wieder geöffnet sei – die Aussicht auf dem Marienfels war übrigens noch bis zum gestrigen Tage gesperrt. Glück gehabt ! Auch wenn wir euch kein Foto der Aussicht präsentieren können, so wollen wir dennoch ein wenig zur Geschichte des Namens beitragen, denn eigentlich handelt es sich bei jenem Stein, der 1824 nach Rudolf Fürst Kinsky ( 1802 – 1836 ) benannt wurde, um mehrere einzelne Steine, die zuvor „Ostroh“ oder „Hoher Stein“ hießen: Der Berg besteht aus den Felsen „Kámen mudcrů“ ( zu deutsch: „Stein der Weisen“ ), „Rudolfova skříň“, „Rudolfův kámen“ und „Rudolf“. Rudolf Fürst Kinksy war es auch, der die Felsenlandschaft rund um Dittersbach zugänglich machen ließ. Auf 170 hölzernen beziehungsweise steinernen Treppenstufen und Leitern gelangt man auf das Plateau. Und auch Kletterer kommen hier auf ihre Kosten, so wurde der Rudolfstein erstmals 1824 erklommen.
So viele Auf- und Abstiege zu Beginn des Wanderjahres gehen in die Knochen und da war es verständlich, dass sich Erik, Petra und Rainer entschieden, am nächstbesten Abzweig eine Abkürzung zu wählen. Und auch das junge Paar musste den jeweils anderen ziehen lassen, denn Conny folgte den drei Wanderern, während Andreas und ich uns entschieden den Jubiläumsweg im Eilzugtempo zu erkunden – der Ehrgeiz war gepackt, die Ersten am Auto zu sein.
Der Jubiläumsweg ließ erneut Parallelen zur Heimat erkennen: Wer den Oberen Terrassenpfad kennt, wird hier nicht enttäuscht, auch wenn der direkte Weg nach unten nicht ganz so steil ist. Ein schmaler Pfad schlängelte sich so zwischen Heidelbeersträuchern und kleinen Fichten entlang, bis wir auf eine frische Abruchkante stießen: Der jüngste Felssturz war gewaltig und selten bekommt man die Möglichkeit, so nah am Ort des Geschehens zu stehen. Praktischerweise ist der Weg erhalten geblieben, als sich die Steine ihren Weg hinunter ins Tal bahnten. Ein letztes Mal durften wir einen Blick auf den Rosenberg werfen, bevor es zurück in den tiefen Wald und Holzriese „Gärtner Bloß“ ging …
Um was es sich bei Letzterem handelt ? Kennt ihr die Waldhusche bei Hinterhermsdorf in der Sächsischen Schweiz ? Falls nicht, wollen wir euch natürlich nicht unwissend sterben lassen:
Im zergliederten Gelände der Böhmischen Schweiz war die Holzbeförderung problematisch. Zum Transport wurden die Ströme genutzt ( das Flößen verlief auf Kamnitz und Kirnitzsch, aber auch auf Dittersbacher Bielabach, dem Daubitzer Bach und der Dürren Kamnitz ).
Aus den unzulänglichen Waldgebieten näherte man das Holz an die Wege mithilfe der sogenannten Holzriesen ( auch Husche, Ploße oder Laaße genannt ). Ihre Konstruktion bildete Holzrinne, oder mit Stein gepflasterten Weg. Es gab unter ihnen auch solche, die am Felsrand endeten ( Rieswurf ), von wo das Holz direkt ins Wasser fiel. Die meisten Riesen wurden für das sogenannte kurze Holz bestimmt. Die Riesen zum Transport von längeren Baumstämmen entstanden nur selten.
Falls der Holztransport von der Holzriese private Grundstücke überquerte, wurden die Grundstücksbesitzer entsprechend entschädigt.
Die Forstleute mussten rechtzeitig kundgeben, wann der Transport stattfindet, der Grundstücksbesitzer musste die Wege freihalten, durfte sie nicht bepflanzen u.ä. In der Nähe der Riesen durfte man kein Holz lagern, um somit den Transport nicht zu verhindern. Da die Riese mehreren Benutzern diente, durfte keiner ihre Nutzung mit eigenem Holzlager stören.
Auch heute noch lassen sich im Wald die letzten Überreste des Holzriese „Gärtner Bloß“ entlang des Jubiläumswegs entdecken. Und immer wieder kam der Gedanke an unsere Freunde auf: Was sie wohl entlang des Weges alles so sehen würden ? Auf jeden Fall passierten sie die Gedenkstätte zu Ehren Rudolf Kellers: Dieser ist im Frühjahr 1899 verschwunden und seine Leiche wurde am 26. September 1899 gefunden. Es wird vermutet, dass er von Wilderern getötet wurde.
Weniger dramatisch verlief unser Wanderweg: Am Ende trafen wir zur Linken auf die „Felsenkapelle des Jüngsten Gerichts“. Eine kleine Nischenkapelle mit einem wiederhergestellten Ölgemälde des Jüngsten Gerichts. Links und rechts der Nische finden sich die Inschriften „M.A. Kny“ und „J. Kny“, sowie unterhalb die Jahreszahl 1840. Und auch hierzu fanden wir eine interessante Geschichte aus Natalie Belisovés bewährtem Reiseführer über die Wanderer von Jetřichovice ( übersetzt aus dem tschechischen Original mit DeepL ):
Unterhalb von Koliště, nahe der Straße nach Zadní Jetřichovice, ließ Marie Anna, die Witwe des Gastwirts und Schankwirtes Christian Kny, 1740 eine Nische in einen kleinen Felsen hauen. In die Nische hängte sie ein auf eine Holztafel gemaltes Bild der Heiligen Dreifaltigkeit. Wer weiß, was die Frau zu dieser Tat trieb. Die Ländereien der Familie reichten bis an den Fuß des Hügels, aber es gab nie ein Feld, auf dem eine Prozession mit Segnung der Furchen den Wald unterhalb des Felsens erreichen konnte. Kein Unglück oder freudiges Ereignis ereignete sich in der Familie. Die Frau wurde 1726 Witwe, und der Hof wurde seit einigen Jahren von einem jungen Bauern bewirtschaftet.
Vier Jahre nach dem Bau der Kapelle, am 10. März 1744, starb die Witwe Kyn. Die Nische blieb bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ohne Interesse und Pflege. Das Bild der Heiligen Dreifaltigkeit verfiel langsam, und als 1835 eine Liste der Kreuze erstellt wurde, stand in der Spalte „Zustand“: „Restaurierungsbedürftig“. Die Familie gehorchte. Im Jahr 1840 kehrte ein Nachkomme, der Bauer Johan Josef Kny aus Nr. 4, zur Waldkapelle zurück und brachte sie in Ordnung. Die Herren aus den Reihen der Denkmalschützer würden bei solchen Umbauten heute einen Schreck bekommen. Um die Nische wurde eine Felswand genagelt und die Nische mit flachen Reliefs eines Kreuzes, eines Sternenpaares und der Jahreszahl 1840 verziert. Johan Josef Kny hatte eine ähnliche Auffassung von der Restaurierung des Familiendenkmals wie der Fälscher der Inschrift des Michelkreuzes. Er hielt sich für den rechtmäßigen Besitzer, der mit dem Besitz machen konnte, was er wollte. Aber wenigstens hatte er den Anstand, den frommen Gründer nicht aus der Geschichte zu verdrängen. An der Nische ließ er Schilder mit den Monogrammen von M. A. Kny und J. Kny schnitzen. Die Witwe blieb die erste, und niemand konnte ihm die Ehre verweigern.
Bei der Restaurierung erhielt die Kapelle auch ein neues Gemälde. Der Mäzen kümmerte sich nicht allzu sehr um die ursprüngliche Widmung und wählte das Motiv nach seinen eigenen Wünschen. Die verherrlichte Dreifaltigkeit Gottes verschwand und das Jüngste Gericht nahm seinen Platz im Felsen ein. An der Spitze stand Christus, der Richter, umgeben von einem Engelspaar mit Posaunen. In der Mitte stand der Erzengel Michael, um den herum die Seelen im Fegefeuer auf ihr Urteil warten. Auf der linken Seite standen die begnadigten Christen, angekündigt durch die Inschrift „Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, besitzet das Reich“. Auf Michaels rechter Seite befand sich der für die verfluchten Sünder bestimmte Platz: „Gehet hin ihr Vermaledeyten in das ewige Feuer“. Obwohl zu der Zeit, als der Nachkomme die Kapelle in Ehren hielt, bereits ein Pfarrer im Dorf war, hielt es wiederum niemand für nötig, einen Geistlichen herbeizuschleppen und die Kapelle ordnungsgemäß einweihen zu lassen. So blieb die Nische ohne Segen, ohne das Interesse frommer Prozessionen und heute auch ohne die neugierigen Blicke der meisten Touristen, denn der markierte Weg führt direkt an der Kapelle vorbei.
Seit 2008 ziert das von Miroslav Hejný gemalte Jüngste Gericht wieder den Felsen.
Über die Česká Silnice gelangten wir zurück in Richtung Jetřichovice – ein letzter Anstieg, es waren die Ausläufer des erloschenen Vulkankegels „Vyhlídka“, trennten uns vom Blick auf das malerische Dörfchen inmitten der Sandsteinfelsenwelt. Und unsere Freunde ? Die ließen es sich nicht nehmen, uns ein Foto von Himbeerbrause und Co. zu schicken. Na gut, es sei ihnen vergönnt, für all die Strapazen der Wanderung. Doch auch wir wurden mit etwas ganz Besonderem zum Abschluss der Wanderung belohnt: Ein Blick auf die atemberaubende Kulisse des heutigen Wandertages …
Ich hoffe, dass euch dieser Wanderbericht gefallen hat,
euer Martin