
Liebe Wanderfreunde,
Erkundungswanderungen versprechen immer eine Mischung aus Abenteuer und Spaß, nur selten wird man enttäuscht – solche Erfahrungen bleiben nicht aus, zählen sie doch auch zum Lernprozess hinzu. Am Sonntag wollten wir das Tal der Sebnitz erkunden – am Ende blieb ein interessantes Fazit. Ein Resümee unserer Wanderung …
Bereits seit einigen Jahren bestand der Wunsch, einmal durch’s Sebnitztal zu wandern – auf meiner Wanderung über den Malerweg, kam ich bereits mit einigen Teilen des Tals in Berührung. Diese Erkenntnisse Flossen letztendlich in die Planung zur Wanderroute entlang des Schwarzbachtals ein. Doch jenes Tal, durch welches eine der schönsten Bahnstrecken Deutschlands führt, blieb weiterhin außen vor – dies galt es zu ändern. Und auch, wenn wir nicht ganz über sieben Brücken und durch sieben Tunnel bis an die Stadt an der deutsch-tschechischen Grenze fuhren, nahmen wir den Zug mit Start in Porschdorf bei Bad Schandau, um bis nach Ulbersdorf zu gelangen – in Folge der Baustelle zwischen Schönau und Bad Schandau bereits mit einigen Minuten Verspätung, konnten wir dann 15 Minuten nach der geplanten Ankunftszeit doch noch in den Triebwagen der Linie U28 steigen, die Rumburk über Deutschland mit Děčín verbindet.
Nach knapp 10 Minuten Fahrt stiegen wir wieder aus. Ulbersdorf, bereits zur Stadt Sebnitz gehörend, befand sich oben auf dem Hügel, während der Bahnhof im Tal zu finden war. Wir entschieden uns unweit zum Bahnhof die Wanderbekleidung anzulegen und nachdem jeder mit Sonnencreme versorgt wurde, konnte es dann auch losgehen.
Angegeben war die Route mit einer leichten Schwierigkeit, doch bereits zu Beginn hieß es den Bauch einzuziehen – die Pizza des Vorabends sollte sich rächen ( oder eben nicht 😉 ). Brennnesseln zur Linken und zur Rechten, ich hätte Glück und konnte mich immer wieder an den Brennhaaren vorbeischmuggeln, doch nicht jeder hatte so viel Glück. Wie praktisch, dass die erste Badestelle nicht weit entfernt war: Keine 480 Meter nach Start unserer Wanderung, konnten wir erstmalig ins angenehm frische Nass der Sebnitz hüpfen. Zunächst entschied sich nur Andrea, doch recht schnell schlossen sich Frank, Matthias, Roberto und meine Wenigkeit an …
Alle wieder trocken ? Nicht ? Na dann warten wir noch einen kurzen Moment … jetzt kann es aber weitergehen.
Dass wir uns – geologisch gesehen – nicht mehr in der Sächsischen Schweiz befanden, stellten alle Teilnehmer beim Blick auf die uns umgebenden Gesteinsformationen recht schnell fest, denn hier, im Tal der Sebnitz dominiert Vulkangestein, allen voran der Lausitzer Granit. Wie wild und zugleich romantisch das Sebnitztal sein kann, dafür fand sich wenig später der Beweis: Unser Weg führte uns entlang eines schmalen Pfads, nur gesichert durch eine Kette, während etwa 15 Meter tiefer der rauschende Gebirgsfluss sich einen Weg in Richtung Elbe bahnte. Hoch über unseren Köpfen verlief derweil die Eisenbahnstrecke Bad Schandau – Sebnitz …
Nicht weit entfernt hieß es dann: Augen zu und durch, denn es zeigte sich erstmals, was bereits in der Ankündigung zur Wanderung erwähnt wurde, die Wege durch’s Sebnitztal werden eher selten begangen und so war es auch nicht verwunderlich, dass wir uns plötzlich inmitten mannshoher Farne fanden, durch die nur ein schmaler Weg hindurch führte. Kein Wunder, dass hier auch gleich die nächstbeste Badestelle genutzt wurde, um eventuell eingesammelte Zecken ihrem Schicksal zu überlassen. Dass wir auch hier nicht alle erwischten, zeigte sich abends, denn Erik fand zwei neue Haustiere. Glücklicherweise blieb ich diesmal verschont … Pech gehabt, doch eine gefunden … wo … das verrate ich mal lieber nicht 😄.
Raschgärtner’s Raubschloss, einst eine Spornburg mit Wohnturm, erbaut in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, heute finden sich hier die Ruinen einer einstigen Raubritterburg. Erhalten, aber mit geschultem Auge zu suchen, sind noch die Reste des Turmfundaments sowie ein Halsgraben. In der Vergangenheit dem Schutz der Handelswege dienend, ereilte auch diese Burg ein ähnliches Schicksal, wie so vielen anderen Burgen in der Sächsischen Schweiz. Raubritternest, anschließend belagert vom Oberlausitzer Sechsstädtebund oder den Meißner Markgrafen, aufgegeben oder sogar niedergebrannt. Nicht selten finden sich so auch Sagen von den letzten Burgherren – zu Raschgärtner’s Raubschloss wurden wir leider nicht fündig, denn zu wenig ist über diese alte Ruine bekannt. Heute finden sich hier zwei Bänke, ideal für den müden Wandersmann, um zu rasten – in der Hoffnung nicht doch noch von den alten Kumpanen überfallen zu werden. Vielleicht belauschten sie uns ja und ließen uns nur in Ruh‘, da uns schon die Klamotten stibitzt wurden ?
Von jenem einstigen Raubschloss ging es wieder hinab – wir wollten doch lieber im Tal der Sebnitz verbleiben, in Anbetracht der allmählich drückenden Temperaturen. So ging es weiter in Richtung der nächsten Wanderrast „Am Talhang“, bis es soweit war, wollte natürlich noch ein junger Farm auf Film festgehalten werden. Nachdem Andrea mich auf ihn aufmerksam machte, wurde es an der Zeit, die App „Spectre“ unter den zahllosen Foto-Apps aus der Versenkung zu holen …
Ein gutes Foto oder eine Langzeitbelichtung benötigen eben ihre Zeit und so zog der Rest der Gruppe schon weiter, während Andrea und ich die Filmrollen füllten. Andreas, Christian, Erik, Frank, Holger, Matthias, Rainer und Roberto fiel irgendwann auf, dass zwei ihrer Mitstreiter fehlten und so entschieden sie sich die Hütte „Am Talhang“ für eine kurze Rast zu nutzen. Der Name ist Programm, denn um zu ihr zu gelangen, bedurfte es einem kurzen Aufstieg. Andrea merkte an, dass der Weg durchaus eine kleine Herausforderung bei nassem Untergrund sei.
Wieder vereint, eine kurze Verschnaufpause später, ging es weiter – die nächste Badestelle unweit der Sputhmühle rief. Um zu ihr zu gelangen, war es erneut nötig, einen Weg zwischen den Brennnesseln linker und rechter Hand zu finden. Kein Problem, dachten wir, auch wenn der Weg zusehends schmaler und das Grün auf beiden Seiten höher wurde. Wir ließen uns nicht beirren und ehe wir uns versahen, erreichten wir schon die nächste Brücke der Eisenbahnverbindung. Unter ihr bot sich erneut die Chance für ein Bad, doch wie hineinkommen ? Letztendlich führten viele Wege hinein, doch erste Möglichkeit schien auch die Beste. In direkter Nachbarschaft zur Sputhmühle, hüpften wir in die Sebnitz und fanden sogar Spuren von Gold ? Wer hat seine Goldwaschpfanne dabei ? Nun, auch wenn Dagobert Duck nicht mit von der Partie war, wussten wir doch, was an diesem Tag zu später Mittagsstunde wichtiger war: Abkühlung. Andreas wollte zunächst nicht noch einmal ins Wasser und so blieb es Andrea, Frank und mir vorbehalten, das alte Wehr zu erkunden. Auf unserem Weg dorthin, erklomm ich eine kleine Insel, vermutlich ein Bruchstück einer alten Mauer oder einfach nur ein großer Granitblock …
Die „Sputhmühle“, benannt nach dem Erfinder des Bierseideluntersetzers ( heute schlicht „Bierdeckel“ genannt ) Robert Ludwig Sputh ( * 1843, † 1913 ), wurde 1882 auf Mittelndorfer Flur gegründet und fiel 1937 einem Brand zum Opfer. Am 25. Oktober 1892 ließt er sich das „Verfahren der Herstellung von Holzfilzplatten oder Holzfilzdeckeln“ beim Kaiserlichen Patentamt für das Deutsche Reich patentieren, in der es unteranderem heißt:
Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren, nach welchem man aus Holzstoff Platten herzustellen vermag, die eine filzähnliche Beschaffenheit haben. Diese Platten finden entweder zu Bekleidungen als schlechte Wärmeleiter Verwendung oder werden zu runden oder kantigen Deckeln ausgestanzt oder ausgeschnitten, welche letztere sich wegen ihrer Saugfähigkeit als Bierseideluntersetzer u.s.w. verwenden lassen.
Dass Sputh seine Bierdeckel – wie er sie nannte – überhaupt produzieren konnte, war auch dem Krippener Friedrich Gottlob Keller ( * 1816, † 1895 ) zu verdanken, der 1843 die Papierherstellung aus Holzfasern erfand. Vor Ort findet sich dazu eine Tafel mit weiteren Informationen, wir haben hier einige für euch herausgepickt:
- Mühle war nur per Eisenbahnanschluss erreichbar, befestigte Straßen gab es keine
- nach Erteilung des Patents in Österreich-Ungarn und den USA erfolgte Ausbau der Mühle
- Ausdehnung des Fabrikgeländes auf bis zu 100 Meter, zwei 30 Meter hohe Schornsteine prägten den Anblick des Unternehmens
- innerbetrieblicher Transport lief über Transportbänder
- etwa 50 bis 70 Arbeiter aus den umliegenden Ortschaften Altendorf, Lichtenhain, Mittelndorf und Ulbersdorf wurden beschäftigt und kamen teils zu Fuß oder mit dem Rad zur Schicht
- seit 1893 ersuchte Robert Sputh mithilfe der Gemeinde Mittelndorf die königliche Staatseisenbahndirektion um die Errichtung einer Personenhaltestelle nahe seiner Fabrik
- 1901 wurde die Haltestelle Mittelndorf talwärts eingerichtet
- Werkführer, der auch in der Fabrik wohnte, leitete die Produktion der Bierdeckel-Fertigung; Sputh selbst war nur gelegentlich im Unternehmen
- nach dem Tode Spuths wurde das Unternehmen von seiner Ehefrau und den drei Töchtern in einer Erbengemeinschaft weitergeführt
- am 27. Dezember 1933 kam es zu einem schweren Schadensfeuer, die entstandenen Schäden konnten behoben werden
Am 16. März 1937 brannte die Sputhmühle in den frühen Morgenstunden ab, die herbeigeeilten Feuerwehren aus Altendorf und Bad Schandau hatten keine Chance, den Brand zu löschen. Das Schadensfeuer soll durch eine heißgelaufene Riemenscheibe ausgelöst worden sein. Die Ruinenmauern der ausgebrannten Gebäude wurden niedergelegt. Eine erneute Ansiedlung eines kleinen Unternehmens durch den Oberstaatsanwalt Viermetz scheiterte. Im November 1938 wurde der private Gleisanschluss zurückgebaut und die Turbinenanlage als Schrott verkauft. Im Jahre 1940 sprengte man beide Schornsteine. Das durch eine starke Brandmauer geschützte Wohnhaus blieb zunächst bestehen, 1967 verließ die letzte Familie das ehemalige Wohnhaus des Werkführers. Der VEB Minol nutzte das Gelände in Verbindung mit der Buttermilchmühle als Kinderferienlager. 1970 wurde dann auch dieses letzte verbliebene Haus gesprengt.
Wünschen wir uns einen „Bierseideluntersetzer“ der seinem Ursprung gerecht wird, den überschäumenden Schaum aufzusaugen und den eine gute Werbung für das getrunkene Bier ziert.
Von hier aus ging es zum – inzwischen – aufgelassenem Haltepunkt Mittelndorf der Sächsisch-Böhmischen Semmeringbahn, wie die Sebnitztalbahn bis 2014 genannt wurde. Erneut kamen wir an eine malerisch schöne Stelle, die auf Foto festgehalten – und von Andrea zum Baden genutzt – wurde. Erik erkannte die Schönheit des Motivs ebenso, so dass ich in die Ründe fragte, wer denn alles ein Stativ im Rucksack habe. Andreas meldete sich zuerst, doch sein kleines GorillaPod war zu schwer für mein iPhone 12 Pro, so dass Matthias‘ Stativ bemüht wurde. So entstand nicht nur die nächste Langzeitbelichtung, sondern auch ein Portraitfoto von Erik und wenig später von mir – Fotos für die kommenden Sächsischen Naturistentage hatten wir bereits, aber hin-und-wieder bietet es sich an, Fotos im letzten Moment zu tauschen …
Inzwischen war es knapp 15 Uhr und ich stellte unsere Gruppe vor die Entscheidung, ob sie einen kleinen Abstecher zum Goßdorfer Raubschloss auf dem Schwarzberg unternehmen wollen – der Ausflug in die Geschichte lohnt sich auf jeden Fall, der Ausblick auf eine Pause ohnehin. Roberto indes wollte die ruhenden Raubritter aus dem Hinterhalt überraschen, als er durch ein Fenster der wiederaufgebauten Ruine hineinzuklettern versuchte. Doch Ritter Rumpi erkannte die List und ließ sogleich einige Steine aufstapeln, damit der Eindringling bei seinem Versuche scheitern möge – der Schatz bleibt in der Hand des Räuberhauptmanns und seiner Kumpanen …
Von der sagenumwobenen mittelalterliche Befestigung auf dem Schwarzberg sind heute jedoch nur noch wenige Reste sowie eine künstliche Ruine aus dem Jahre 1858 vorhanden. Um die Erinnerungen an die ehemalige Burganlage wach zu halten, ließ der damalige Rittergutsbesitzer Lüttichau aus Ulbersdorf auf deren Mauerresten die künstliche Ruine errichten. Holger blieb derweil am Ufer des Schwarzbachs, um die Stille zu genießen. Wir nahmen den Weg hinab vom Raubschloss, geradewegs zur Buttermilchmühle, 1845 als Mahl- und Schneidmühle vom Altendorfer Bauern Carl Gottlob Michel errichtet. Im Jahre 1958 wurde die Mühle schließlich verstaatlicht, nachdem sie ab 1912 auch als Pumpwerk für die Trinkwasserversorgung der Dörfer Altendorf und Mittelndorf diente. In der Folge sah das Gemäuer mehrere Pächter, welche die Buttermilchmühle als Ferienheim nutzten. Ab 1970 blieb die Gastwirtschaft schließlich dauerhaft geschlossen und 1985 brannte die Mühle durch Blitzschlag völlig ab. Nach der politischen Wende von 1989 wurde die mit Brandschutt gefüllte Ruine entfernt.
Insofern passt Rainer’s‘ Zitat hervorragend:
Ruinen schaffen ohne Waffen.
Vorbei am „Rad am Kohlbach“ … nein Moment, jenes kleine Wasserrad und Büchlein wurden entfernt – wahrscheinlich aufgrund der Forstarbeiten, denn im Tal des Kohlbachs fanden sich zahlreiche Holzeinschnitte. So ging es ohne einen Verweis im Büchlein weiter in Richtung des letzten Aufstiegs unserer Wanderung: Der Mühlenweg würde uns unter der Stampfbetonbrücke der ehemaligen Schmalspurbahn Goßdorf – Hohnstein führen, bevor wir wenig später unsere letzte Badestelle des Tages erreichen. Hier entstand zu den Sächsischen Naturistentagen ’20 eines der schönsten Fotos, denn mit Blick auf die Wandergruppe fuhr der Zug der Linie U28 an uns vorbei – wie neidisch die Fahrgäste in diesem Moment wohl waren 😄 ?
Zwei Textilwanderer entschieden sich – nicht ganz freiwillig – zum Aufbruch, als wir ankamen, der Kommentar des Herrn war uns so ziemlich egal und die restliche Gruppe bekam ihn ohnehin nicht mit. Dennoch wurde es Zeit für eine ausgedehnte Badepause … wenn hier doch nur nicht so viele Steine liegen würden. Die Furt in der Sebnitz lockte uns dann aber doch noch zu unserem Gruppenfoto …
Im Anschluss – als wir schon fast im Aufbruch waren – kam dann doch noch eine Idee für ein ganz besonderes Foto: Spectre sollte hier wieder wertvolle Dienste leisten und als Erik gebeten wurde, den Auslöser zu betätigen, bat er mich die Plätze zu wechseln. Wenig später kam ihm dann noch eine weitere Idee – das Ergebnis ist folgendes Foto …
Ein Blick auf die Uhr verriet uns, dass Christian vielleicht noch seinen Zug nach Bad Schandau erreichen könnte: Abfahrt 16:34 Uhr, ab Porschdorf, nur ein paar Minuten eher ab Goßdorf-Kohlmühle – oder wie Erik sie nennt: Kloßmühle 😂. Flotten Schrittes ging es in Richtung Goßdorfer Haltepunkt und etwa 16:29 Uhr erreichten wir auch jenen Bahnhof, der übrigens bei genau 148,215 Metern über Normalnull liegt. Woher wir das wissen ? Nun direkt unterhalb der historischen Bahnhofsuhr fand sich diese exakte Angabe – nur die Uhr ging um einige Minuten nach. Wie gewohnt – trudelte der Zug dann mit ein paar Minuten Verspätung ein und Christian wurde entsprechend verabschiedet.
Die letzten zwei Kilometer der Wanderung verliefen über die asphaltierte Straße „Am Bahnhof“, welche uns direkt nach Porschdorf geleiten würde – sonderlich Aufregendes gab es hier nicht zu erzählen, außer dass Andreas und ich uns über den aktuellen Stand der gesperrten Wege in unserer Heimat austauschten. Nach gut zwei Jahren gingen wir so erneut einen Schritt aufeinander zu und wir beide hoffen, so an alte freundschaftlichere Zeiten anzuknüpfen.
Fazit: Eine Wanderroute mit wenigen Highlights, wenn die Routen aus der Sächsischen Schweiz zum Vergleich erangezogen werden. Dafür verspricht diese Wanderung reichlich Möglichkeiten, um sich auch an heißen (Sommer-)Tagen abzukühlen.
Ich hoffe, dass euch dieser Wanderbericht gefallen hat,
euer Martin